Yahi Trail

Eine Kolonne von sechs schweren SUVs wirbelt eine riesige Staubwolke auf. Ich warte am Rande des Schotterweges in einer kleinen schattigen Wegesbucht, lasse die in der Sonne glänzenden Metallkarosserien an mir vorüberziehen und halte kurz die Luft an. Die Staubwolke scheint eine Weile regungslos in der Luft zu stehen. Langsam legt sich der Staub, ich gehe noch ein paar Schritte weiter und biege rechts in den Pfad ein, laufe die Böschung hinab und folge dem Yahi Trail, der links des Chico Creeks, entgegen der Fließrichtung verläuft. Ich vertraue mich der buschigen, struppigen, mit einzelnen Grasflächen durchsetzten, holperig unebenen und dennoch üppig grünen Uferlandschaft an. In diesen Pfad bin ich nur zufällig hineingestolpert und die mit meinem alten Mobiltelefon gemachten Fotos in niedriger Auflösung geben kaum eine Ahnung von der saftig grünen Schönheit dieses Uferpfades, der sich in Richtung Upper-Park schlängelt und Ausblicke auf bizarre Felsen ermöglicht, die ganz entfernt an die Böhmische Schweiz erinnern, dem Wochenendwanderziel meiner Dresdner Kindheit.

Die Yahi, nach denen dieser Pfad benannt ist, lebten einst in dieser Gegend. “Ya” bedeutet “Mensch” und “hi” bezeichnet die südlichen Siedlungen. Ishi war der letzte Überlebende des Yahi-Stammes, der letzte der Ureinwohner Kaliforniens. Wer seine Geschichte nachlesen möchte, kann dies auf Wikipedia tun. Ein Großteil seines Stammes wurde ermordet. Mich hat einfach interessiert, was das Wort “Yahi” bedeutet. Als ich über das Schicksal der Yahi las, musste ich kurz schlucken, konnte nicht weiterschreiben und habe nur diesen Link in den Beitrag kopiert. Im Nachhinein habe ich mir überlegt, ob ich ein Spielverderber bin, jemand, der nach einem Makel sucht, wo man sich der Schönheit hingeben könnte. Nach einer Weile sagte ich mir jedoch, dass ich nur meiner Neugier gefolgt bin und lediglich wissen wollte, woher das Wort “Yahi” kommt und was es bedeutet. Einen kurzen Augenblick lang überlegte ich, ob es vergleichbar wäre, wenn ein Kalifornier nach Berlin käme und über den Plötzensee berichten würde, den Badesee meiner vergangenen Berliner Sommer. Dort lag ich im Wasser auf dem Rücken und verlor mich auf dem Wasser treibend im Himmel. Er könnte erzählen, dass es unweit des Sees ein Strafgefängnis gab, in dem zu NS-Zeiten 2800 Menschen ermordet wurden. Und ich bin mir nicht sicher, welche Information wohin gehört. Das ist jedenfalls der Link zu einer kurzen Biografie des Kaliforniers Ishi, der den Yahi angehörte.

https://de.wikipedia.org/wiki/Ishi

Auf einem Baumstamm am Ufer lasse ich mich nieder und blicke auf das Wasser des Flusses. Hinter mir taucht ein junger Mann in Flipflops und Panamahut, blauem T-Shirt und kurzer Hose auf. Ob er mich erschreckt habe, fragt er mich. Er sei nur auf der Jagd. Sein Name sei Drew ohne An. Frösche würde er jagen, nicht zum Essen, sondern für den Teich der Großmutter. “Sieh da ist eine Baby-Schildkröte”, sagt er und zeigt auf das brackige Uferwasser. Ich sehe noch, wie sich eine kleine Schildkröte im Wasser unter braunem Mulch und Blättern versteckt.

Der Yahi Trail führt zu verschiedenen bassinartigen Vertiefungen im Fluss, kleine Becken im Fluss, die bei Jung und Alt beliebt sind zum Entspannen und Baden. Auf dem Weg begegne ich vielen Gruppen von einheimischen Jugendlichen in Badekleidung auf dem Weg zum Parkplatz, oft trägt einer von ihnen eine Box, aus der Musik erklingt. Bewundernd verliere ich mich in der Schönheit des Pfades, beobachte einen Buntspecht, sehe wie eine Eidechse im Schatten am oberen Rande des Hohlweges von einer Wurzel auf eine andere springt. Noch nie habe ich eine Eidechse springen sehen, denke ich mir. Einundvierzig Jahre habe ich gelebt, ohne zu sehen, wie eine Eidechse von einer Wurzel auf die andere springt. Klar, im Fernsehen habe ich sogar Flugdrachen gesehen, doch direkt vor mir und mit eigenen Augen zu sehen. Im Fernsehen, oder auf Insta und ich frage mich, wieso bereiten wir unsere Erlebnisse medial auf? Wieso schreibe ich diesen Blog, der sich in Millionen andere Blogs einreiht, mein Erlebnis einem Ranking unterwirft?Sammeln und begegnen, ist das vielleicht eine Illusion und digital Natives, digitale Jäger und Sammler sein zu wollen einfach eine Ilusion, mit der wir den Riss kitten wollen, zwischen unserer Vernetztheit die uns gleichzeiig von unserem Erleben entfremdet? Auf welche Gedanken einen hüpfende Eidechsen so bringen können! Dieser Pfad birgt wirklich viele kleine Details wuselig-wimmelnden Lebens, die man mit allen Sinnen genießen kann. Ihr Reiz liegt im Erleben des Augenblicks, der verfliegt und mich nur bereichert, wenn ich ihn nicht besitzen will.

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2 responses to “Yahi Trail”

  1. vielen dank für die coolen berichte immer. nicht alle hab ich gelesen, aber vor zwei, drei wochen haben mir einige fotos besonders gut gefallen.

    liebste grüße! ich fall ins bett … ________________________________

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